dape, Masters of the Universe
eine Ausstellung im treibhaus Katharinenstraße vom 28.08.2008 bis 11.10.2008
Eine Einführung von Ralf Seifert
Assoziativ genähert und ohne Kenntnis der ausgestellten Objekte und Gemälde rotiert das Hirn enorm, wenn man den Titel der Exposition erfährt. Ein akademischer Grad, also ein Bildungsprojekt? Eine Anrede als Bezeichnung für eine Herrschaftsform in der Sklaverei, also ein gesellschaftskritisch-historischer Ansatz mit interkulturellem Potential? Ein allgemeines hierarchisches Prinzip der Regelung und Steuerung, also ein elektrotechnisches Arbeitsprinzip als Metapher für die Erklärung der Welt? Oder doch die amerikanische Death-Metal-Band? Oder gar der französische Kleintransporter? Das Musikbearbeitungsprogramm? Dann bliebe noch die Variante eines weltweiten Rankings zur Erstellung einer Liste der Schönsten, Intelligentesten, Einflussreichsten oder Stärksten. Und ganz viel Neugierde, Unsicherheit und Staunen.
Da sind wir bei Aristoteles, der sich u. a. über den Leitsatz mitteilte: "Staunen veranlasste zuerst – wie noch heute – die Menschen zum Philosophieren."
Doch der Erkenntnisprozess nimmt eine jähe Wendung, wenn man sich den Kompletttitel der Ausstellung von dape anschaut: „Masters of the Universe“ ist nämlich der Name einer von 1982 bis 1988 vertriebenen und weltweit sehr erfolgreichen Action-Figur-Serie des US-Spielzeugherstellers Mattel. 2002 brachte Mattel die Action-Figuren mit modernisiertem Design erneut regulär auf den Markt. Wegen ausbleibenden Erfolgs wurde die Produktion bereits 2004 wieder eingestellt. Ab Oktober 2008 werden wieder von Mattel unter dem Namen „Masters of the Universe Classics“ monatlich modernisierte Fassungen der klassischen Action-Figuren veröffentlicht. Diese Serie richtet sich aber ausschließlich an Sammler und wird nur online vertrieben. Ganz grundsätzlich geht es in der
Hintergrundgeschichte der Masters of the Universe um den klassischen Kampf: Das Gute gegen das Böse. Für das Gute kämpfen He-Man und die Heroic Warriors, das Böse wird repräsentiert von Skeletor und den Evil Warriors. Schauplatz der Handlung ist der fantastische Planet Eternia, auf dem neben Magie und Übernatürlichem auch futuristische Technologie wie Laserwaffen und Fluggeräte, die bis in den Weltraum vorstoßen können, bekannt sind. Soweit die Erklärung zu den Figuren, die stets kraftvoll, kampferprobt und kampfbereit, heroisch und pathetisch inszeniert sind.
dape macht was daraus. Er verändert diese vordefinierten Bildgeber und baut daraus Objekte, indem er ihnen Alltagsgegenstände, dingliche Kommentare, neue Farben und andere Versatzstücke beigibt. Ein bisschen Acryl. Ein bisschen Blattgold. Ein bisschen Öl. Ein echtes Ready-made. Der Name Ready-made geht auf Marcel Duchamp zurück, der seit 1913/14 Objekte des täglichen Gebrauchs aus ihrer üblichen Umgebung holte und als Kunstwerke deklarierte. Sein mit der Fahrradgabel auf einem Küchenhocker montiertes drehbares Vorderrad eines Fahrrades gilt als erstes Ready-made-Objekt und als erste bewegbare Plastik. dape geht über Duchamp hinaus. Seine Objekte werden degradiert, bevor sie frisch montiert und farblich frisiert neu summiert reinkarnieren können. Er verletzt seine Helden, entmachtet, entkräftet und deformiert sie. Und er gibt ihnen den Beigeschmack des Scheiterns, des sentimentalen Moments, des traurigen Helden. Angereichert mit Werbeikonen, Schriftträgern und bizarren Titeln – ich erinnere hier exemplarisch an Nordmende Master oder „Dance With Me“ Master – ahnen die Rezipierenden Gegenwart, Botschaft und Absicht. Doch der Code wird vielerorts und auch hier erst beim zweiten Denk geknackt. Bilder des Be- und Gefangenseins, des rasenden Stillstands in einer betont dynamisch-kraftvollen Welt voller medial vermittelter Heroen, blinkerbunter Leitbildsimulationen und wertig anmutenden Glanzabbildern bleibt die Frage nach dem Sinn des Funktionierens häufig zurück. dape entrückt. Seine Figuren atmen ein Lebewohl. Einen Abschied als Einstieg in eine andere Seinsebene.
dape verabschiedet sich auch zweidimensional. Von früheren Plakationen. Von früheren Diskretionen. Von Farbigkeiten, die das Herz mit vielem versöhnten. Von digitalisierten Collagen. Vier Jahre münden in einer Zäsur. Jetzt trägt er auf. Lässt Farbe türmen und ragen. Seine Materialität drückt den Raum zurück, reliefartige Oberflächen bezeugen den Tatendrang. Was ist wichtig? Was ist richtig? Was ist nichtig? Master of Bollwerk. Trümmerbergmaster. Masters of Baumaschine. Leihgutmaster. Vertikalmaster. Alles ist einzigartig. Alles ist bedeutsam. Alles ist ein Master. Wenn aber alles ein Master ist oder zumindest sein könnte, ist ja nichts mehr ein Master. dape’s entmasterte Welten sind lost places. Verloren sein. Verlassen sein. Authentisch sein. Der Mensch spielt keine Rolle. Seine Machwerke sind seine Spuren. Er könnte Größeres noch schaffen, doch das Bestehende blättert bereits. Pure Formen werden sichtbar. Einfache Situationen reduzieren auf das Kernige. Das Wesentliche. Kraftmeierei liegt gestürzt daneben. Technik roh preisgegeben. dape’s Appell richtet sich an den Kopf. Seine Waffen sind Öl und Leinwand. Seine Formen Felder, seine Farben im internen Kampf. Brechende Anglizismen betiteln die motivische Rückkehr zum vom Zweck befreiten Gegenstand. Die Bunker künden wie der Südblick wie die Kanufahrt wie die Planierraupe und wie die modifizierten Kampfminiaturen von Etappen des Künstlers. Auf den Weg zu sich. Und belegen dabei seinen ganz persönlichen Besinnungsschub: Die Philosophie ist angekommen in dape’s Heim! Lassen Sie uns gemeinsam diese im treibhaus begrüßen.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß auf Ihrer Entdeckungsreise durch einen Kosmos der Meister…