dape, Italienreise
eine Ausstellung mit Zeichnungen im treibhaus Katharinenstraße vom 15.10.2009 bis 07.11.2009
Eine Einführung von Ralf Seifert:
Der Rhythmus der Landschaft. Der Takt der Berge, Die Geometrie der Wälder. Zwischen den Alpen und der Poebene gletscherte die Etsch zu einem See, der seit Jahrhunderten Künstler zu bildnerischen Reflexionen inspirierte. dape’s zweiter Besuch dieser Gegend führte zu grafischen Aussagen, die eine sehr ungewöhnliche Form der Erinnerung schuf. In seinen mit Kreiden und Tuschen erzeugten Raumkonstruktionen werden konkrete ästhetische Impulse so verarbeitet, dass eine spezifische Situation einer emotionalen Bezugnahme darauf weichen muss. Die Abstraktion der Wirklichkeit kündet von der inneren Bewegtheit des sich auf der "Italienreise" befindlichen Künstlers.
Gardasee, Monte Baldo, Venedig … Neugierige Menschen erkunden historische Orte, deren Klang nicht größer, schwerer, bedeutsamer sein könnte. Eiszeiten gruben sich in Stein, ein Nunatak schaute drüber hinweg. Große Kanäle, Brücken und Masken. Irgendwie alles Facetten der gleichen Imagination, alles Strahlen einer südlichen Sonne, alles Tropfen eines Mittelmeeres. Klischee oder Wahrheit? dape kam wieder. Zwei Jahre zuvor stieg er mit dem unbedingten Willen zur Dokumentation über Berge und Höhen: zeichnete, fotografierte, schrieb. 2009 nun ist der Künstler erneut, aber gänzlich anders in Bewegung. Der Zeichengrund unfixiert, im Gehen die Abläufe konzentriert: Augen sehen, Füße laufen, Hände zeichnen – parallel, simultan, gleichzeitig. Sportives Durchstreifen einer zunehmend weniger fremden Weltsituation mit ihren spezifischen Ausformungen. Der Zeichenmittel führende Wanderer findet kompositorische Aussagen, die sich zunehmend einer klassisch-modernen Sachlichkeit verpflichtet zu fühlen scheinen. Rückverweise auf Vorbeiziehendes, wobei sich der Bezugspunkt ständig ändert…
Der 1978 geborene dape spielt auf seinen für ihn eher klein zu nennenden Papierformaten mit den Erinnerungsmustern. Farbwechsel in Familien, expressive Präsenz, eindrückliche Simulation: Was bleibt von einem Ort in einem, wenn man diesen durchschritt? Welche Parameter können wir in künftigen Momenten bewusst reaktivieren? Welche Schlaglichter beleuchten das Unbewusste? Basiert die menschliche Orientierung in einem komplexen Neuland auf einem linearen Koordinatensystem? Die gleichmäßige bzw. gezielte, an Bedingungen geknüpfte Unterteilung einer Fläche wird Raster genannt. Die Welt mit ihren unzähligen Merkmalen ist in Breite und Höhe definiert, ihre Gestalt über messbare Punkte beschreibbar und aus dem All stets zu beobachten. Die Grafiken von dape versuchen nicht einmal, romantisierende Abbilder einer für Kultur und Geschichte stehenden Gegend zu sein. Die Gefahr lauert im Weiß, im Leerraum, in der ungestalteten Gestaltung. Linien, gebogen, geschwungen, in Schraffurformation und alleinstehend, bezeugen die auf Ernüchterung fußende Wahrnehmung von der Idylle Italiens. Die persönliche Affinität zu dieser wird von einer radikal zu bezeichnenden ästhetischen Klarheit konterkariert, die eine reflektierende Bewertung durch den Rezipienten nicht unbedingt erleichtert. Muss sie auch nicht…
"Italienreise" ist eine der polarisierendsten Positionen auf dem langen Weg stilistischer und materialkünstlerischer Erfahrungen und Entscheidungen des hier veröffentlichenden Künstlers. Und eine der sichersten dazu.